Der Feind in meiner Wohnung


Als ich heute morgen aufwachte, sah ich es. Regungslos belauerte es mich. Verdammt, wie war es unbemerkt hereingekommen? Doch um angemessen reagieren zu können, musste ich zu den richtigen Waffen greifen, und die befinden sich nicht im Schlafzimmer. Ich fluchte und schlüpfte sofort in meine Hausschlappen. Als ich zurückkam, war es ver-schwunden. Mit dem Staubsauger bewaffnet suchte ich Wände und Zimmerdecke ab – nichts. Ich suchte zu meinen Füßen und ging akkurat, Zentimeter für Zentimeter, vor. Fehlanzeige. Das Monster blieb mir verborgen.

Nach einer Viertelstunde gab ich zunächst auf, ich musste ja einigermaßen pünktlich zur Arbeit erscheinen. Aber aufgeschoben ist nicht aufgehoben. Meine erste Amtshandlung nach der Arbeit war, die Bestie erneut zu jagen und ihr den Garaus zu machen.

Zunächst suchte ich alle Wände und Zimmerdecken meiner Wohnung ab. Das Monster zeigte sich nicht. Nun mussten die Fußböden und insbesondere alle Ecken kontrolliert werden. Ohne Erfolg.

Ich machte mir einen Kaffee und überlegte mir einen Schlachtplan. Meine Wohnung hat durch die darin befindlichen Möbel einfach zu viele Winkel, Ecken und Schlupflöcher. Ich war der Verzweiflung nahe. Oder sollte sich das Vieh meiner erbarmt und freiwillig den Rückzug angetreten haben, während ich arbeiten war?

Während ich so sinnierte, bemerkte ich in der Nische unter dem Fenster, dort wo die Hei-zung ist, eine dunkle Stelle. Die war doch gestern noch nicht da. Och nee, dachte ich, bloß kein Schimmel! Ein einziger nasskalter Tag und meine Wohnung verwandelt sich schon in ein Feuchtbiotop?

spinneIch besah mir das näher und mir stockte der Atem. Da war es ja wieder. Die dunkle Stelle war das Monster! Meine Güte, es war so groß wie ein Fünfmarkstück! Sofort eilte ich in den Flur, wo ich den Staubsauger griffbe-reit abgelegt hatte. Die Bürste hatte ich ab-genommen und den Stecker schon einge-steckt. Ausreichend bewaffnet lief ich zu-rück, das Vieh hockte noch ahnungslos da. Ich gab volle Power und hielt das Rohr auf das Monster. Mit seinen acht Beinen, die sicher auch noch behaart waren – so genau wollte ich es mir doch nicht ansehen -, versuchte es noch zu fliehen. Wahrscheinlich waren die Beine nicht so geschmeidig, dass die Flucht wirklich hätte gelingen können – dass diese Ungeheuer springen können, hatte ich schon erlebt – oder es lag doch an der Saugkraft des Staubsaugers. (Mehr Power, harhar!) Jedenfalls verspeiste der Staubsauger gurgelnd die Spinne.

Das Gerät jetzt einfach abschalten und zur Tagesordnung oder zum geruhsamen Feier-abend übergehen, dabei kann ich es ja nicht belassen. Dann wäre die Aktion ja sinnlos. Nein, jetzt geht’s erst richtig los. Mindestens eine Viertelstunde muss eifrig gesaugt wer-den, am besten noch über die Blumentöpfe. Vielleicht erschlagen ja die losen Erdklümp-chen, die der Sauger gierig einatmet, das Untier. Zumindest aber versperren sie gemein-sam mit den vielen kleinen Staubteilchen den Ausgang und verhindern damit eine Rück-kehr des Monsters. Seine Rache könnte schrecklich sein. Wie gesagt, fünfzehn bis zwan-zig Minuten intensives Saugen unter Berücksichtigung aller möglichen Dreckecken, die es in den meisten Wohnungen gar nicht gibt, sollten ausreichen.

Ausschalten, Gerät öffnen, Staubbeutel mit spitzen Fingern und gestreckten Armen entfer-nen und den Beutel schleunigst nach draußen zur Mülltonne bringen, ist Sekundensache. Wichtig ist nur, die Ruhe zu bewahren, um sich nicht womöglich auszusperren, weil der Schlüssel von innen steckt.

Jedes Jahr ist es das gleiche Spiel: Dutzende Spinnen suchen bei mir ein warmes Winter-quartier, wie betuchte deutsche Rentner Mallorca. Es war zwar in dieser Saison meine ers-te Spinne, aber mit Sicherheit nicht die letzte. Weiß der Teufel, wie die hereinkommen. Ich habe seit Jahren Fliegengitter vor den Fenstern, die ich täglich beim Lüften prüfe, ob sie auch wirklich richtig befestigt sind und kein Schlupfloch bieten. Zwei Schlupflöcher habe ich heute ausgemacht – meine Wohnungstür hat am unteren Ende ein paar Millimeter Luft. Genug Platz für eine achtbeinige Bestie, um sich heimlich bei mir einzunisten. Da muss ich schleunigst so eine besenartige Leiste montieren, die die Tür beim Schließen komplett abdichtet. Der zweite Spinneneingang könnte die Lüftung im Bad sein. Dort habe ich im letzten Jahr mehrere der ekligen Achtbeiner im Badewannenabfluss ertränkt und für den Fall, dass sie es doch überlebten, mit der chemischen Keule – einem Rohrreiniger – nachgeholfen.

Selbst schuld. Solange sich die Viecher bei mir nicht blicken lassen, ist alles in Ordnung. Sehe ich sie aber, müssen sie weg. Gutes Zureden hilft ja leider nicht.

Ich weiß nicht, wo dieser Ekel herkommt. Meine Mutter packt die Viecher heute noch an einem Bein und setzt sie ins Freie. An ein furchtbares Spinnenerlebnis in meiner Kindheit kann ich mich nicht erinnern. Ich mag halt nicht mit ihnen leben und meide ihre Gesell-schaft. Halten sie sich nicht dran, müssen sie sterben. Wobei mir das im Freien wiederum egal ist – da bin ich der Eindringling in ihrem Revier (solange es nicht das Innere eines Zeltes ist).

Diese irrationale Phobie betrachte ich noch als harmlos, damit komme ich zurecht. Ich springe nicht auf Stühle und schreie nach einem männlichen Retter, der mich von den Achtbeinern erlösen möge, ich schreite selbst zur Tat. Ich mag sie nicht anfassen, schon gar nicht lebend. Das tut man mit Wespen ja auch nicht. Und so wie andere Mücken, Wes-pen oder Fliegen killen müssen, sobald sie sie summen oder brummen hören, töte ich halt Spinnen, sobald ich sie sehe. Mein Gott, so schlimm isses nun auch nicht!

Jemand hat mir mal von einer Statistik erzählt, nach der jeder Mensch durchschnittlich drei Spinnen in seinem Leben verschluckt. Na Mahlzeit! Hoffentlich habe ich mein Soll schon weg, sie im Ganzen heruntergewürgt und nicht gründlich gekaut! Auch daran kann ich mich nicht erinnern. Wenn ich es könnte, hätte ich wahrscheinlich schon echte Gitter aus Stahl vor den Fenstern und der Amtsarzt mir einen Betreuer zur Seite gestellt.

Über Paninero

Paninero, mitten im Leben, weiblich, adipös - im Juni 2016 hatte ich eine Magenverkleinerung, nahm über 50 Kilo ab und habe wieder mehr Freude am Leben. Seit 2017 habe ich eine neue Herausforderung: Rheumatoide Arthritis (RA). Aber ich lasse mich nicht unterkriegen.
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39 Antworten zu Der Feind in meiner Wohnung

  1. moserschreibt schreibt:

    Diagnose von Spiderman: Arachnaphobie. Spinne am Morgen, vertreibt Kummer und Sorgen. 😉

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  2. 1000interessenblog schreibt:

    Ich denke, da geht es mehreren so 😉 ist ja aber auch schlimm :-O (interessanterweise war genau das heute ein Thema bei uns zu Hause..hatte mich fast vertippt und hätte beinahe – bei uns zur Jause- geschrieben…aaah) – Lg Herta

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  3. Oje, ich bin auch so ein Schisshase vor dieser Spezies. Vor allem wenn es unerwartet kommt. Sorry, dann heißt es nur Mord- und Totschlag!

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  4. ChaosLu schreibt:

    Hach, danke, endlich noch jemand, der die Viecher einsaugt und gut iss! Ich fass die auch nicht an. Ja, wenn ich draußen bin, zelte oder so. nein, wenn sie in MEIN Haus eindringen. Ich geh gleich auch noch mal auf Beutzug!

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  5. LadyAngeli schreibt:

    Sorry, habe ich keinerlei Verständnis für. Ich sehe Spinnen als Nutztiere, die andere Viecher vertilgen. Ich lasse Ihnen ihren Lebensraum in meinem Zuhause, mit Ausnahme von Badezimmer und Schlafzimmer. Sind sie dort, fange ich sie mit einem Glas und einem Blatt Papier und setze sie draussen – oder wenn zu kalt – im Keller wieder aus. Aus purem Ekel ein Lebewesen töten? Nö!
    Davon ab, hier auf dem Land gewöhnt man sich so an etliche Mitbewohner, die man vorher nicht kannte. ;D

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  6. Mein-liebes-Ich schreibt:

    Ich hab mich schon nur vor dem Bild erschrocken… ich wäre eine, die das nicht mal selber erledigen könnte.

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  7. Paninero schreibt:

    Himmel, hab ich in den Kommentaren wieder Tippfehler eingebaut – „Normale“! Und es ist ein Spinnrad und kein Spinnstuhl. Da habe ich schneller getippt, als gedacht. 😉

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  8. Kerstin schreibt:

    Bei mir werden sie auch eingesaugt…

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  9. Rolf H. Meier schreibt:

    Na ja die Spinnen – für Frauen ein unbewusstes Übel oder eine verständliche Phobie.
    Hören bzw. lesen wir, was Camille (Anna) Paglia (* 2. April 1947 in Endicott, New York) dazu sagt. Sie ist, eine US-amerikanische Kunst- und Kulturhistorikerin, Professorin für Geistes- und Medienwissenschaft (Humanities and Media Studies) an der University of the Arts in Philadelphia (born to Pasquale and Lydia Paglia, who had immigrated to the States from Italy. Sexual orientation: bisexual). Das habe ich übrigens auch schon in meinem Blog zitiert (Beitrag Männliche Sexualität) zitiert:
    „Männliche Sexualität ist der Roman von Ausfahrt, Suche und Abenteuer. Promiskuität bei Männern mag vielleicht die Liebe entwerten, aber sie schärft das Denken. Promiskuität bei Frauen ist Krankheit, ständiger Identitätsverlust. Die promiskuitive Frau ist innerlich verderbt und unfähig zu klaren Vorstellungen. Sie hat die rituelle Integrität ihres Körpers zerstört. Dominante Männer zu einer wahllosen Ausbreitung ihres Spermas zu bringen, liegt ganz und gar im Interesse der Natur. Aber ebenso sehr zieht die Natur Nutzen aus weiblicher Reinheit. Selbst in der emanzipierten oder lesbischen Frau bleibt immer eine biologische Hemmung, die ihr zuraunt, den Geburtskanal sauber zu halten. Indem sie besonnene Zurückhaltung übt, schützt sie einen unsichtbaren Fötus. Vielleicht ist das der Grund für das archaische Grauen (keineswegs nur eine gesellschaftlich induzierte Angst), das viele ansonsten beherzte Frauen angesichts von Spinnen und anderen schnell krabbelnden Insekten befällt. Die Frauen halten sich bereit, weil der weibliche Körper ein Reservebecken ist, eine jungfräulich stille Wasserstelle, bereitgehalten für den Fötus. Männliche Verfolgung und weibliche Flucht sind nicht einfach nur ein Gesellschaftsspiel. Die doppelte Moral gehört vielleicht zu den organischen Gesetzmässigkeiten der Natur.“ (Camille Paglia, Sexualität und Gewalt oder: Natur und Kunst; München 1996, S. 85f)

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  10. niceday111 schreibt:

    Keine Angst im Sauger werden alle Spinnen kaputt, falls mit voller Saugkraft gesaugt wird. Ist nichts für Tierschützer, aber geht ganz ohne Gift. Vor Jahren hatten die mal bei Galilieo einen Test gemacht – alle Spinnen die gesaugt wurden waren tot. Als Kind hatte ich mal mit meiner Tante einen vollen Staubsaugerbeutel seziert nachdem sie in der Garage mit dem Spinnweben saugen fertig war. Meine Tante hatte zuvor einige hundert dicke behaarte Winkelspinnen und vor der Garage an den Wänden, unzählige Weberknechte sowie andere Insekten wie Grashüpfer eingesaugt. Vor allem bei den dicken Winkelspinnen konnte man hören wie die ins Rohr gesaugt wurden und dort wo das Handrohr so einen knick machte, „klackerte“ es immer wieder. Ganz eklig war das Geräusch dann, als meine Tante die Spinnen samt Spinnweben vom Fensterrahmen mit der Fugendüse saugte.
    Meine Neugierde war damals ziemlich groß was mit den Spinnen im Staubsauger passierte ist und bevor sie den Staubsauger zurück ins Haus brachte, sezierten wir den Beutel im Freien. Zuerst konnten wir keine einzige Spinne finden, aber als wir als wir den „Staub“ näher betrachteten, konnte man lose „Spinnenbeinchen“ sowie kaputt gegangene Spinnen finden. Die hat es regelrecht in viele Teile zerlegt

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    • Paninero schreibt:

      Vielen Dank für den interessanten „Jugend-forscht“-Beitrag! 😉 Das beruhigt mich doch sehr. Im bisherigen Herbst hab ich Glück gehabt und diese ekligen Winkelspinnen nicht mehr in der Wohnung gehabt. Allerdings muss sich so ein Viech im Auto eingenistet haben. Ich finde häufiger mehrere Spinnfäden zwischen Lenkradspeiche und Armaturenbrett, zum Netz hat’s (noch?) nicht gereicht. Mein Alptraum: Während der Fahrt seilt sich so ein Monster vom Autodach direkt vor meinem Gesicht ab oder auf dem Kopf und krabbelt dann das Gesicht hinunter. Ob ich dann so eiskalt reagieren kann, das zu ignorieren und das Auto kontrolliert und ohne Gefahr für andere am Straßenrand zum Halten zu bringen und dann die Spinne zu vertreiben, erschlagen – was auch immer? Der Wagen steht in einer Gemeinschaftsgarage mit durch mannshohe Maschendrahtzäune abgetrennten Abteilen. Da tummeln sich auch Spinnen. Unter den Dachbalken in den Ecken haben wir immer wieder ihre Netze. Solange ich sie nicht sehe … 😉

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